
Der Herr Titus hatte kürzlich Damenbesuch. Um dem vorweihnachtlichen Firmenstress ihrer Familie zu entkommen, durfte sich Frau Frieda bei uns einen ganzen Tag im Männer-Bootcamp einbuchen. Frauchen brachte ihren Hund kurz vor acht mit dem Auto. Beide waren aufgeregt angesichts der erstmaligen ganztägigen Trennung, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven…
Während sich die ungestüm aussteigende schwarze Fellmaid an der Gartentür schon einen abwedelte, dass es ihren schlaksigen Körper nur so hin und her warf, und durch das Zaungitter mit Herrn Titus Nasenbussis austauschte, übergab uns ihre Besitzerin einen Stoffbeutel.
Inhalt: Vermutlich Dinge, die Mädels halt den ganzen Tag normal so brauchen (Schminkzeug, Wechselschuhe, Frauensachen usw) – also alles, was die junge Dame an einem Abenteuertag mit uns sicher nicht benötigen würde. Ich nahm den Sack also höflich entgegen, schaute aber erst gar nicht hinein (Diskretion ist alles), sondern ließ stattdessen den schwarzen Wirbelwind herein, während ihre Halterin noch ein paar Erklärungen zur Handhabung der Kleinen loswerden wollte.
Das Frauchen keines weiteren Blickes würdigend, stürmte Frau Frieda in den Garten, direkt auf Herrn Titus zu. Sofort fegten sie rangelnd und balgend die lange Böschung hinauf. Beim Rückweg schnappte sich Frau Frieda im Vorbeigaloppieren einen teilbelutschten Röhrenmarkknochen, den Herr Titus am Vortag (für spätere Verwendung in Notzeiten) notdürftig unter ein paar Blättern verscharrt hatte, und ließ diesen fortan nicht mehr aus.Herr Titus nahm es gelassen, mit diebischen Weibern kennt er sich aus. Denn seine Intimfreundfeindin „Crow-Sau“, die Krähe, die vom Nussbaum in Nachbars Garten aus auf ihre Chance lauert, stiehlt ihm regelmäßig Knochi-Vorräte.
Ein paar Minuten später waren wir unterwegs zum Dogwalk. Herr Titus trabte gewohnt voran Richtung Wald, schnüffelte sein Pflichtprogramm in der Siedlung ab und bereitete sich auf die Kür im Wald vor. Frau Frieda trippelte unglaublich wohlerzogen wirkend an der Leine neben mir her.Das hatte aber nicht den Grund, dass sie ihr Temperament mit ihrem Schminktascherl bei mir im Flur gelassen hatte, sondern war schlicht und einfach der Tatsache geschuldet, dass sie noch immer (!) den runden Marknochen im Maul hatte und während dem Gehen vor sich hin kaute…
Im Wald angekommen, ließ Frau Frieda den mittlerweile blankpolierten Bone fallen, als sie draufkam, dass Schnüffeln und Lutschen gleichzeitig doch eher schwierig ist. Ich befreite sie vorsichtig von der Leine, sie schoss davon, mit vollem Karacho an Herrn Titus vorbei, der gerade im Unterholz beschäftigt war. Mein Junge nahm die Herausforderung an und beide spurteten den Weg hinauf, als gäbe es kein Morgen (verständlich, Frau Frieda hatte ja nur einen Tag mit uns gebucht).
Ich pfiff, beide Doggos wirbelten herum und galoppelten mit Volldampf auf mich zu. Braaav! Ich wollte die jungen Wilden gerade zum Sitzen auffordern zwecks Medaillenvergabe und Leckerlohnung, als sie es vorzogen, in ein wildes Gerangel über zu gehen.Wunderbar, dieses Raufballett zu beobachten: Gleichzeitiges Aufbäumen, Schein-Angriffe von oben und unten, Maulrangeln, Rempeln, dazu tiefes Knurren (Herr Titus), Jaulen und Keifen (Frau Frieda), Ohrenzwicken (Frau Frieda), Schwitzkasten und Niederdrücken (Herr Titus), Anspringen (Frau Frieda), Abdrängen (Herr Titus)…
Ich machte ein paar Fotos und ging dann weiter. Die Hunde überholten mich gleich darauf, wobei das Getrappel von hinten auch von einer Herde Pferde stammen hätte können. Ich beobachtete die Wild horses lächelnd und überlegte mir an der Weggabelung die nächsten Abenteuermöglichkeiten, die wir unserem Gast bieten konnten.
Doch selbst ist die Frau (Frieda). Sie hatte einen Tümpel gesichtet, war – natürlich viel zu schnell – hingelaufen und schlitterte nun über den lehmigen Rand ins frische Naß (der Schnee der letzten Tage war gerade geschmolzen, wir hatten 2 Grad Außentemperatur). Und weil es so lustig war, schwamm sie gleich noch zweimal hin und her.
Herr Titus wollte da natürlich nicht nachstehen und folgte der jungen Lady in die Fluten, nahm im Schwimmen einen dicken Ast auf und brachte stolz die Beute an Land. Als er sich draußen schüttelte, schoss Freaky Frieda aus dem trüben Schlammwasser und schnappte sich das Holztrumm. Sein „Lass-das“-Knurrer kam zu spät, FF war schon auf und davon, den erbeuteten Stamm auf der Flucht halb asymmetrisch tragend, halb schleifend.
Ich begann mit der Leckerli-Versteck- und Werf-Runde. Herr Titus wartete wie immer gespannt auf seinen Einsatz, um dann schnurstracks in die Richtung des begehrten Flugobjektes loszustarten und es mit wenigen effizient-effektiven Schnuppersuchkreisen aufzuspüren.
Nun war Frau Frieda dran – sie hatte ihr hölzernes Beutestück längst achtlos liegenlassen. Ich warf das Leckerli. FF drehte sich um, zeigte mir das Hinterteil und starrte gespannt in die entgegengesetzte Richtung.Ich rief ihren Namen, nach einigen Sekunden sah sie auch kurz her. Ich nahm ein neues Leckerli zwischen Daumen und Zeigefinger, zeigte ihr überdeutlich die Richtung, in die ich werfen würde. Frau Frieda fetzte in ihrem bekannten „weiß-nicht-wohin-aber-bin-als-erste-dort“-Modus schon mal los, ein paar Bocksprünge noch, dann blieb sie jäh stehen und blickte weiter in ihre Laufrichtung. Ich lächelte etwas irritiert und warf dann das Leckerli, das noch immer in meiner Hand befand, eben für Herrn Titus, der in sieben Meter Entfernung ruhig auf seinen nächsten Einsatz wartete.
Frieda und ich übten dann noch einige Zeit weiter, schließlich konnten wir uns darauf einigen, dass ich ihr die Leckerlis überdeutlich, aber nicht zu weit weg warf und sie dafür etwas kürzer chaotische Suchkreise drehte, ehe sie sich schließlich doch erfolgreich an der Fundstelle einfand.
Zeitsprung. Mittlerweile ruhig im „das-Rudel-wandert“-Modus dahintrabend, waren wir rund 400 Astwurfapportierungen (beide), drei Tümpelbesuche (beide), crazy-3-minutes-Kreisrennen bei einer Hundebegegnung (Frau Frieda), unaufschiebbaren Grabungsarbeiten (Frau Frieda), einem Mammutbaumteiltransport (Herr Titus) und Abenteuerwaten in einem schmelzwassergeschwollenen Bach (alle drei) später am Rückweg.
Am Waldrand nahm ich FF gerade an die Kandare, als mich der eindringliche Blick von Herrn Titus traf. Ach ja, da war ja noch unser Ritual, dass er immer vom Wald seine Leine selbst nach Hause trägt. Hmmm. Warum nicht?
Ich gab ihm kurzerhand das andere Ende ins Maul und sah zu, wie er statt meiner die doch einigermaßen verblüffte Gasthündin heimwärts führte. Ab und zu versuchte sie ihm zerrend die Leine zu stehlen, doch nun war er auf der Hut (außerdem hatte ich den zweiten Karabiner sicherheitshalber an seinem Halsband festgemacht) und führte Calamity Janes Nachfahrin unnachgiebig Richtung heimwärts.
Was für ein cooler Trip für uns alle … FF (Fortsetzung Folgt)